Kolumne: Cosplay is not consent! – oder auch Finger weg!

Sommer, Sonne, Cosplay.

So oder so ähnlich sieht der Traumsommer vieler Anime- und Mangafans aus. Endlich raus aus der verstaubten Bude, und hinein in das bunte Treiben diverser Conventions und Treffen; einfach nur Spaß haben. Wenn da nicht doch ein kleiner Haken wäre: Grabscher, Grabbler, Stalker, Pseudo-Paparazzi oder einfach nur Dumme-Sprüche-Klopfer. Assis und Pedos haben mindestens genauso viele Namen wie Möglichkeiten euch oder euren Freunden den Spaß an der Sache zu verderben. Und genauso alt wie das Problem ist, genauso unverändert steht es heute noch dar. Immer größere und unübersichtlichere Conventions bieten solchen Leuten, trotz wachsamer Helfer und Orgas, immer öfter die Chance Cosplayern auf den Leib zu rücken. Aber auch die Anreise im Cosplay oder ein öffentliches Fotoshooting kann einen zur Zielscheibe für Belästigungen aller Art machen. Doch was dürfen andere Leute überhaupt mit euch machen, und wie könnt ihr euch dagegen wehren?

Immer wieder tauchen Bilder im Internet auf, welche einen großen Aufsteller von der New York Comic Convention zeigen, welcher die fette Überschrift „Cosplay is not consent!“, zu Deutsch „Cosplay ist keine Einladung!“ trägt. Darunter befinden sich die Bitte die Privatsphäre der Cosplayer zu respektieren und vor Fotos zu fragen. Der Aufsteller erregte in Cosplaykreisen weltweites Aufsehen und eine Menge Aufmerksamkeit sowie Zustimmung.
Nach und nach tauchen so auch auf deutschen Conventions und Messen immer häufiger Benimmregeln und Warnhinweise für Cosplayer auf. Doch unterscheiden sich diese im Ansatz von der US-amerikanischen Variante durch die Adressaten.

So warnte der Cosday² 2014 auf dem Gelände, im Internet und im Programmheft die Besucher davor kostümiert an- oder abzureisen, da es in den Wohngegenden um das Veranstaltungsgelände, grade in der Dunkelheit, zu Übergriffen auf Cosplayer kommen kann.

Auch die Organisation der Frankfurter Buchmesse ließ Zettel an Cosplay-Hotspots aushängen, welche eine Art Cosplay-Netiquette beschrieben. Diese gibt Cosplayern unter anderem Hinweise zu richtigem und seriösem Verhalten mit „normalen“ Besuchern und Medien sowie im Falle von Übergriffen Kontaktmöglichkeiten für die Security.

Hierzulande wird also nicht den Verursachern von Belästigungen und Übergriffen, sondern den Opfern Rat und Tat angeboten wie man sich gegen Unannehmlichkeiten zu Wehr setzt. Doch reichen solche Maßnahmen überhaupt aus, um das zum Teil unmögliche Verhalten mancher Leute gegenüber Cosplayern einzudämmen?

Um diese Frage zu klären, haben wir uns für euch in der Community einmal umgehört und eure Erfahrungen zum Thema Belästigung im Cosplay gesammelt. Dabei wurden vor allem die unterschiedlichen Typen von Belästigung deutlich. Einmal gibt es die direkte, körperliche Form von Belästigung. Von unerwünschten „Free Hugs“, bis hin zum direkten Griff an ganz andere Stellen ist alles dabei. Aber auch Stalking und ununterbrochenes Fotografieren sind bei Weitem keine Seltenheit. Während die körperliche Form von Belästigung sehr leicht zu erkennen ist, ist die nicht körperliche Form deutlich schwieriger abzugrenzen.

Grade im Cosplay muss man sich deutlich öfter dumme Sprüche von der Seite gefallen lassen. Dies betrifft sowohl weibliche als auch männliche Cosplayer gleichermaßen. Bunt, fröhlich oder einfach nur anders. Ignorante Passanten finden immer einen Grund wegen dem sie einen dummen Spruch oder herablassenden Kommentar in eure Richtung schleudern können. Diese können oft auch verletzend sein, oder man hat nicht sofort einen passenden Konter auf Lager. Das ist aber auch gar nicht nötig. Nicht umsonst existiert das Sprichwort: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Provokationen und Beleidigungen an euch abprallen zu lassen lässt Hater in den meisten Fällen nach kurzer Zeit verstummen. Sollte das doch mal nicht ausreichen oder ist man den Anfeindungen völlig alleine ausgesetzt, so ist es Ratsam sich an andere Cosplayer zu wenden oder die Nähe einer Gruppe aufzusuchen.

Fast jeder Cosplayer freut sich, wenn sein Kostüm von Fans erkannt oder gar fotografiert wird, doch grade ungewolltes Fotografieren kann sehr schnell unangenehm werden. Fast wie bei echten Promis und ihren Paparazzi gibt es, grade auf öffentlichen Veranstaltungen keinen Moment mehr, in welchem ein potentieller Pantsu-Paparazzo nicht auf einen verrutschten Rock oder ein tiefes Dekolletee lauert. Die einzige wirklich wirksame Möglichkeit zur Flucht ist auf einen privaten Teil des Veranstaltungsgeländes. Gibt es so etwas nicht, so ist es Ratsam Hilfe bei Aufsichtspersonal oder wenn nötig, der Polizei zu holen. Leider lassen sich ungewollte Fotografen nicht durch Gruppen abschrecken, da sie auch aus der Entfernung bequem Aufnahmen machen können.

Handgreifliche Belästigungen sind dagegen zwar sehr leicht zu erkennen, zum Teil jedoch schwieriger zu unterscheiden. Neben der offensichtlichen Form von sexueller Belästigung wie zum Beispiel Angrabschen, gibt es auch eine eher unabsichtliche Art. Diese beruht auf verschiedenen Missverständnissen innerhalb der Cosplayszene. Allgemein bekannt dafür, freundlich, aufgeschlossen und offen zu sein, heißt es jedoch nicht, das die Grenzen was Körperlichen Kontakt angehen bei allen Cosplayern gleich sind. So kann aus einem gut gemeinten Überraschungs-Free-Hug oder einem kleinen Flirt ganz schnell eine unangenehme Situation für beide Seiten entstehen, wenn die Grenzen woanders liegen als erwartet. Solche Arten von Belästigungen kommen jedoch hauptsächlich unter Cosplayern vor.

Absichtliche Belästigungen wie Angrabschen kommen jedoch größten Teils von außerhalb der Szene und betreffen oft nur weibliche Cosplayerinnen. Die häufigste Form ist der Griff an den Hintern beim Vorbeigehen. Dies ist nicht nur sehr unangenehm und verletzend für die Cosplayerinnen, sondern auch rechtlich streng verboten. Belästigungen solcher Art solltet ihr euch auf keinen Fall gefallen lassen und sofort reagieren. Die Täter erwarten auf Grund eurer Untätigkeit ungeschoren davon zu kommen. Da nicht immer Polizei oder Ordnungspersonal in der Nähe ist, ist den Täter mittels lautem Rufen in der Menge bloßstellen eine sehr effektive Variante. Handgreiflichkeiten solltet ihr jedoch auf jeden Fall vermieden, da es hier, durch die rechtlich unklare Lage zur Selbstverteidigung, schnell zu unangenehmen Konsequenzen für beide Seiten kommen kann.

Betrachtet man nun nochmal die Anfangsfrage, so wird deutlich, dass die Hinweiszettel zwar eine gute Idee sind, jedoch sexuelle Belästigungen nicht aufhalten werden. Die wahren Verursacher werden dadurch nicht über ihr fehlerhaftes Verhalten aufgeklärt.

Auf Grund der immer noch sehr großen Unbekanntheit von Cosplay in der Allgemeinheit, werden Cosplayer nur zu oft mit Karnevalisten oder Ähnlichem verwechselt. „Die sind so angezogen, die wollen das doch!“, ist die Ausrede Nummer Eins. Dass die Kostüme weder mit Fetischismus noch mit der Absicht übermäßigen Alkoholkonsums einhergehen, ist vielen Leuten dabei nicht bewusst. Dies liegt zum Großteil daran, dass man Cosplay in den privaten Mainstreammedien, wenn überhaupt, fast ausschließlich als überzogene Freakshow präsentiert bekommt. Da ist es nicht verwunderlich, dass Cosplay als etwas Sexistisches wahrgenommen wird. Damit Cosplayer auch außerhalb von Conventions sicher sein können, bedarf es einer verbesserten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und nicht dem Sensibilisieren der Opfer, denn so macht es nun wirklich keinen Spaß.

Autor: Vincent Freudenreich

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